Der kleine Bär hatte an diesem sonnigen, traumhaft schönen Nachmittag seine Hasenfreunde ganz spontan zu sich und seiner uralten Eiche eingeladen. Eigentlich wollte er ja wie gewohnt ein kleines Nickerchen halten, aber sein Freund, der große Tukan, auf seiner Schulter hatte ihn überredet, heute mal etwas anderes zu unternehmen. Ja, und so kam es zu der Runde unter Freunden bei seinem Lieblingsbaum. Unter dem starken Baum mit seinen vielen dicken und auch kleineren, zarteren Ästen und den unendlich vielen Blättern war es wie immer an heißen Sommertagen sehr angenehm kühl und schattig. Ab und zu wehte ein leichter, sehr angenehmer, warmer Wind und die Eiche ließ ihre Blätter dazu rauschen.
„Das ist ja bärenstark, euch alle hier zu treffen“, brummte der kleine Bär sehr glücklich in die Hasenrunde. Der große Tukan nickte dazu mit seinem Kopf und sein übergroßer, prächtig gelb gefärbter Schnabel berührte dabei die Schulter seines Freundes nur ganz sachte. „Uijuju, Vorsicht, hast du schon vergessen, ich bin doch so kitzelig“, lachte der kleine Bär schallend. Der Tukan, aus der Familie der Spechte, antwortete mit einem Krächzen: „Genau das will ich von dir hören und ich will dich mal wieder so richtig herzhaft lachen sehen.“ „So, so“, brummte der kleine Bär und rutschte auf seinem Hosenboden hin und her, um dann endlich, breitbeinig, eine sehr bequeme Sitzposition einzunehmen.
Die vier Hasen liefen aufgeregt um ihn herum; abwechselnd streichelten sie ihn an seinen beiden Armen, Füßen und Tatzen. Der Bär, sichtlich geschmeichelt, brummte vor lauter Wonne vor sich hin: „Besser geht‘s nicht, Freunde, ich danke euch!“ „Willst du uns bitte wieder Geschichten erzählen?“, krächzte sein Glücksvogel fast melodisch auf seiner Schulter. „Ja, ja, ja, jipeejee“, riefen alle vier Hasen gleichzeitig durcheinander. Jeder versuchte den anderen noch zu übertönen. Zusammen hörte sich das an wie eine kleine Gesangseinlage. Der kleinste Hase von allen, direkt vor ihm, der einen riesigen weißen Stern auf seinem Rücken hatte, war auch der frechste von allen! Zudem war er auch noch ziemlich vorlaut. Er meldete sich forsch mit seiner hellen, feinen Stimme: „Wir haben uns heute Morgen mit Kreide gegenseitig die Sonne, den Mond und die Sterne auf unser Fell gemalt. Bitte erzähle uns: Wohin geht die Sonne am Tag, und warum kommt der Mond in der Nacht? Warum sehen wir dann auch so viele Sterne, die wir tagsüber nie sehen können?“ Sein zartes Stimmchen überschlug sich. Und ihm fiel sofort auch noch die Mondfinsternis ein. Oder war es doch eine Sonnenfinsternis? Na ja! Da konnte man schon mal durcheinanderkommen. „Ja, und warum ist der Mond manchmal ganz rund und manchmal so dünn, auch so unterschiedlich dünn? Mal ist er auf der einen Seite so schmal und dann wieder auf der anderen Seite.“
„So viele Fragen, alle auf einmal, wie soll ich die alle beantworten können?“, staunte der kleine Bär nicht schlecht. „Also meine lieben Freunde, jetzt versuche ich euch das alles einmal auseinander zu dröseln. Der Mond wandert in neunundzwanzig Tagen um die Erde und ändert während dieser Zeit scheinbar seine Gestalt.“ „Wie, der wandert?“, fragte der dritte Hase, der vorher noch an der alten Eiche gelehnt hatte und aufgeregt zum Bären gehüpft war. „Wie kann der wandern?“ Und was für eine Gestalt hat er, die er scheinbar auch noch ändern kann?“ „Hört erst mal weiter zu, dann versteht ihr viel mehr! Also, das, was sich wirklich ändert, ist nicht der Mond, sondern die beleuchtete Fläche des Mondes!“ Der erste Hase, der Winzling, konnte es nicht lassen und prustete los: „Wo soll denn bitteschön das Licht herkommen, das den Mond beleuchtet?“ „Von der Sonne!“, erklärte der kleine Bär. „Während der Mond um die Erde wandert, ändert sich auch seine Position zur Sonne. Mal steht er zwischen ihr und der Erde, mal hinter der Erde und auch mal seitlich zur Erde, um deine Frage genau zu beantworten.“ Der kleine Bär fixierte jetzt genau den Hasen vor sich. Er blickte ihm direkt in seine kleinen, fast schwarz wirkenden Knopfaugen und setzt erneut zum Reden an: „Der Mond ist und bleibt eine Kugel am Himmel! Wir sehen aber immer nur eine halbe Kugel am Himmel.“
„Und wo wandert denn der Mond noch so hin?“, flötete der Tukan in die Runde und sein gelber, mächtiger Schnabel klapperte dazu. „Hat er auch seinen Wanderstab dabei? Warum kracht er eigentlich nicht vom Himmel? Ja, und spaziert die Erde auch in irgendeine Richtung? Sprechen der Mond und die Erde sich ab, wo sie so hinwollen?“ Der vierte Hase stand auf dem linken Bein vom kleinen Bären und bekam einen ziemlich lauten Lachanfall. Er rüttelte, schüttelte sich und konnte sich überhaupt nicht mehr beruhigen. „Ja, wo laufen sie denn hin und weg?“ Diesen Minisatz von nur acht Wörtern brachte er wegen seine vielen Lachsalven kaum verständlich heraus. Immer wieder holte er neu aus, um sich dann wieder vor Lachen zu winden. Und dabei hielt er beide Pfoten auf seinen kleinen Bauch: „Aua, aua, ich habe schon Bauchschmerzen vor Lachen, hört auf, hört auf!“

„Womit? Wir machen doch überhaupt nichts, wie wäre es mit Herrn Ernst, der jetzt mal wieder bei dir vorbeischauen könnte,“ krächzte jetzt schon fast ärgerlich der Tukan. Irgendwie fühlte er sich nicht nur auf die Schulter, sondern regelrecht auf den Arm genommen. „Nein, lass doch“, ergriff der kleine Bär erneut das Wort. „Wir führen eine angeregte, kultivierte Diskussion, und da kann jeder zu unserer Geschichte beitragen.“ Hase „vier“ hatte sich wieder total im Griff, er hob seine süße Nase in alle Himmelsrichtungen und dabei spürte er, wie seine langen Barthaare ihn leicht kitzelten.
Der kleine Bär schnaufte mehrmals tief ein und aus. Dabei hatte er das Gefühl, er höre sein Gehirn rattern. Er suchte fast verzweifelt nach den richtigen Worten, guten Sätzen, wie er der wissbegierigen Hasenmeute und seinem Freund auf seiner Schulter alle Zusammenhänge zwischen Sonne, Mond, Sternen und der Erde erklären könnte – so, dass alle es verstehen. „Also, wo war ich stehen geblieben?“ „Der Mond steht – auf seiner Wanderung um die Erde – mal zwischen der Sonne und der Erde oder irgendwo anders“, erinnerte sich Hase „zwei“ und kratzte sich dabei an einem seiner langen Ohren. „Ja, richtig, dabei ändert sich die beleuchte Fläche des Mondes. Da wir also nur die beleuchtete Fläche sehen, haben wir den Eindruck, der Mond ändere seine Gestalt. Wir reden ja auch von Halbmond, Vollmond oder Mondsichel!“ „Obwohl inzwischen jeder von uns Hasen und auch unser Freund Tukan wissen sollte, dass der Mond eine Kugel ist und immer bleiben wird“, kommentierte der erste Hase, der seine langen Ohren ganz kerzengerade aufgestellt hatte. „Und wann haben wir dann Vollmond?“, krähte der Tukan laut und für alle deutlich verständlich. „Vollmond haben wir, wenn die Erde zwischen Mond und Sonne steht und wir von der Erde aus die volle von der Sonne beleuchtete Mondhalbkugel sehen.“
Der Tukan hüpfte ganz aufgeregt auf der Schulter des kleinen Bären herum. „Kreist denn die Erde auch irgendwo hin oder steht sie nur ganz still da und wartet?“ „Die Erde, mein Freund, ist eine Reisende im Weltall! Jeder Erdbewohner, wir alle, die Menschen, Tiere, Pflanzen – einfach alles – sind sozusagen Weltraumreisende. Zunächst einmal flitzt die Erde mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern in der Sekunde um die Sonne. Sie umrundet sie, und das genau in 365 Tagen, also in einem Jahr. Ja, und außerdem dreht sie sich, wie ein etwas schief stehender Kreisel auch noch rasend schnell um sich selbst.“
„Du willst uns vergackeiern“, krähte der Tukan. „Wie soll denn das funktionieren? Dann purzeln wir ja alle von der Erde runter, wenn wir auf dem Kopf stehen?“ „Eigentlich müsste das so sein, aber da gibt es so eine gewisse Anziehungskraft. Eine richtig unglaublich starke Schwerkraft!“ Weiter kam der kleine Bär nicht, denn jetzt diskutierten alle seine Freunde gleichzeitig. Der kleine Bär räusperte sich erst leise und dann immer lauter und das Ganze verstärkte sich in ein tiefes, ungeduldiges Brummen. „Hallo, ich würde gerne noch meine Sätze beenden!“ Sofort waren alle in diesem Moment wieder mucksmäuschenstill. „Springt mal alle in die Luft!“ Die vier Hasen hüpften vor ihm her und wollten vor lauter Freude gar nicht mehr damit aufhören. „Ihr landet doch immer wieder auf dem Boden und schwebt nicht davon, oder?“ „Ja, ja, ja, wo er recht hat, hat er recht“, stimmten alle wie im Chor ein.

„Aber so landet auch alles, was ihr in die Luft werft, wieder auf dem Boden, und das nennt man die Schwerkraft. Die Erde hat eine sehr, sehr starke Anziehungskraft, weil sie so riesengroß ist. Es ist eine Eigenschaft von Körpern, sich gegenseitig anzuziehen. Voraussetzung für das Wirken ist die Masse, die Größe. Und genau aus diesem Grund purzelt nicht alles runter, wenn die Erde sich dreht und wir auf dem Kopf stehen! Ohne diese Anziehung gäbe es keine Sterne, Planeten oder den Mond. Ist das nicht unglaublich, unermesslich, einfach gigantisch, super, stark?“ Der kleine Bär suchte noch nach weiteren starken Wörtern, aber es fiel ihm nichts mehr ein.
In dem Augenblick war es ganz ruhig unter den Freunden. Man hätte hören können, wie ein Blatt auf den Boden fällt. Alle machten sich ihre eigenen Gedanken, das „Unfassbare“ irgendwie zu erklären.
„Warum bist du so klug?“, räusperte sich nach einigen Minuten der Stille, der frechste unter den Hasen. Der kleine Bär antwortete: „Das habe ich alles von meinem Lieblingsbaum gelernt, der Eiche, unter der wir sitzen. Sie ist schon über tausend Jahre alt und hat das alles beobachten können. Und sie hat viel von ihren Freunden erfahren, den anderen Bäumen, die schon viele, viele Millionen Jahre vor ihr gelebt haben und die sich immer wieder die Geschichten von Generation zu Generation erzählt haben.“ „Wow“, meinte der Winzling, und er hörte sich in diesem Moment wie ein kleiner kläffender Hund an: „Du kannst dich mit Bäumen unterhalten und sie erzählen dir Geschichten?“
„Ja, das stimmt! Zuerst nur mit meiner alten Eiche. Aber seit fünfundzwanzig Sonnenuntergängen auch mit allen anderen Bäumen im Wald! Alle Bäume sind meine Freunde, die ich behüte und beschütze. Aber das ist eine ganz andere Geschichte!“
Über die Autorin

Katja Lührs ist nicht nur eine bekannte Moderatorin und Künstlerin, sie schreibt und malt auch wunderschön. Zudem liebt sie Tiere, die Natur und die Umwelt!
Deshalb engagiert sich Katja schon seit mehr als 20 Jahren zusammen mit PETA für die Rechte der Tiere.
Sie ist ein Vorbild, denn sie lebt und liebt ihr tierfreundliches Leben an jedem Tag.
Mehr Informationen: www.katjalührs.com